Massenmediale Gehirnwäsche
Als ich anfing diesen Artikel zu schreiben war meine Intention einfach mal zu zeigen warum es einem oftmals so vorkommt, als würde eine aufsehenerregende Straftat ihre nicht minder grausamen Nachfolger regelrecht auf den Plan rufen.
Bei meiner Recherche aber stieß ich auf ein paar interessante Zahlen zum Thema Kriminalitätspolitik, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Diskussion betreffend krimineller Jugendlicher.
Jeder prinzipiell intelligente Mensch müsste in der Lage sein zu erkennen, wie absurd die fremdenfeindlichen Aussagen und Forderungen von Herrn Koch und seinen Trittbrettfahrern sind, für mich ist das nichts weiteres als Hetze und populistisches Stimmungsmache.
Wo liegt die Intention - soll der NPD die Wählerschaft abgenommen werden? Eine gewisse Vorbildfunktion Kochs für diese Zielgruppe lässt zumindest dieser Beitrag hier vermuten.
Doch erst einmal zurück zum Ausgangsthema.
Seit dem unglaublichen Vorfall, an dem ein Rentner von 3 Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde, habe ich das Gefühl, dass plötzlich fast täglich über neue Fälle dieser Art berichtet wird.
Ein Phänomen, das mir nicht zum ersten Mal auffällt und hinter dem (nicht nur meiner Meinung nach) eine zielgerichtete Systematik steckt.
Schon bei den Fällen von Kindesmisshandlung und -Vernachlässigung, schienen die Fälle plötzlich wie Pilze aus dem Boden zu schießen.
Die traurige Wahrheit ist - meistens haben wir es hier nicht mit einem sprunghaften Anstieg spezieller Straftaten zu tun, sondern lediglich die Berichterstattung ist eine andere und oftmals steht ein populistisches oder gar politisches Kalkül dahinter auf das ich hier jetzt ein bisschen näher eingehen möchte.
Der Einfluss der Medien auf die Kriminalitätswahrnehmung und damit indirekt auch auf die Politik ist meiner Meinung nach relativ einfach zu erklären.
Nehmen wir als Beispiel dafür einmal die aktuelle Debatte über die Jugendkriminalität und zwar unter Abstraktion der unglaublich dämlichen Kommentare von Herrn Koch. (Hier übrigens noch einmal eine gewohnt stechende Interpretation zu dem Thema beim pantoffelpunk).
Berichten Zeitungen viel und prominent über bestimmte Straftaten, wird die Wahrnehmung der Bürger relativ schnell selektiv.
Je heftiger der Auslöser, d.h. grausamer die Fälle, umso schneller setzt dieser Prozess ein - ein ganz einfaches Prinzip der Theorie der kognitiven Dissonanz. (Wir erinnern uns - oder lesen hier noch einmal nach)
Die Tat vor Weihnachten, bei der ein Rentner mit brutaler Gewalt zu Tode geprügelt wurde hat die Nation erschüttert, insbesondere deswegen weil die Meldung mitten in die Zeit der Besinnung und des Friede Freude Eierkuchens “hineinplatzte”.
Die öffentliche Aufmerksamkeit war plötzlich groß, die Menschen wollten alles über dieses Thema wissen und entsprechend prominent wurde über das Thema berichtet, denn Inhalt den Leser lesen wollen lässt sich nunmal besser verkaufen.
Entsprechend wurden ähnliche Nachrichten, die bis dato eher einen Platz auf Seite 3 bekommen hätten auf die Titelseite gebracht, die Berichterstattung vertieft, diskutiert, gehypt und allein schon die Art und Weise wie manches Blatt oder manche Sendung seine Berichte formulierte (Betonung immer wieder auf den ausländischen Hintergrund, wenn Deutsche beteiligt waren Sätze wie “ein junger Mann mit deutschem Aussehen” (suggeriert das es nicht so sein muss) etc…
2004 hat TSN Infratest mehrer Umfragen zum Thema Kriminalität durchgeführt.
Betrachtet wurde der Zeitraum von 1993 bis 2003 in dem die Kriminalitätsrate de facto um -2,6% abgenommen hatte
Die Studie ergab, dass
- 1. weniger als 10% der Befragten überhaupt ein sinken der Kriminalitätsrate vermuteten
- 2. ein Grossteil der Befragten den Anstieg der Straftaten extrem überschätzte (je nach Straftat bis zu 260%)
Doch damit noch nicht genug, in einer zweiten Studie wurde dann noch gefragt wer wohl verantwortlich für diesen Anstieg wäre und die Antwort war ebenso eindeutig wie erschreckend - Ausländer.
Um genau zu sein wurde ein Anstieg des Anteils
“der Ausländer an den polizeilich regeistrierten Tatverdächtigen [..]von 26,7% auf 36,5%”
unterstellt, in der Realität sah es aber so aus, das selbiger
auf 19,0% gesunken war.
Wie kommt es nun zu einer solchen Diskrepanz zwischen Realität und Wahrnehmung und welche Auswirkungen hat das auf die Kriminalitätspolitik?
Medienwissenschaftliche Untersuchungen aus den USA und Kanada haben gezeigt, das sich hier eine Realtion zu der Darstellung von Kriminalität in den Massenmedien feststellen lässt.
Wird trotz sinkender Kriminalitätsraten, vermehrt über Gewaltdelikte berichtet - unabhängig davon ob real z.B. in den Nachrichten oder fiktiv wie z.B. in Serien etc. tendieren die Menschen dazu die Kriminalitätsrate als ansteigend einzuschätzen.
Wie schon oben erwähnt wird der Inhalt über den berichtet wird auch immer vom Marktwert bestimmt, d.h. was die Menschen interessiert lässt sich besser verkaufen.
Genauso wie negative Erinnerungen einem Menschen tendenziell deutlicher in Erinnerung bleiben wie postive werden negative Nachrichten gegenüber anderen Nachrichten bevorzugt.(Galtung/Runge 1965)
Ergo haben derartige Nachrichten in der Regel auch einen höheren Marktwert als positive.
Dazu kommt, das insbesondere Privatsender auf eine Personalisierung und Emotionalisierung in der Berichterstattung setzen - in Gerichtshows beispielsweise werden zwischenmenschliche Probleme und Schicksale auf der Bühne einer Straftat thematisiert.
Betrachtet man Privatsender wie RTL und Sat1, die deutlich mehr darauf angewiesen sind “quotentaugliche” Beiträge zu senden so zeichnet sich gemäß einer Studie des Hannoveranischen Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung allein zwischen 1995 und 2003 der Anteil “kriminalitätshaltiger Sendungen am Gesamtprogramm” von 13,1 auf 18,7 bzw. 11,4 auf 19,5% angestiegen ist.
Alles in allem wird den Zuschauern so suggeriert das “das Böse real” und ganz nah ist, was zu einem erhöhten Unsicherheitsgefühl und damit steigendem Sicherheitsbedürfnis führt.(Krüger 2000, S.278-296)
Dieses diffuse Sicherheitsbedürfniss lässt die Stimmen nach härterer Strafpolitik lauter werden, was wiederum einige Politiker als Anlass dafür nehmen mit solchen Themen gezielt Wahlkampf zu betreiben.
Das traurige Ende vom Lied ist ein Kreislauf von zielgerichteter Berichterstattung, kombiniert mit darauf abgestimmten, völlig absurden politischen Forderungen und Unterstellungen, die wiederum die Ausrichtung der Berichte noch einheitlicher werden lassen, so dass Otto-Normalbürger gar nicht mehr in der Lage ist in der Masse von Absurditäten die Wahrheit zu finden..
Quellen
Krüger, U. Michael (2000). Unterschiedliches Informationsverständnis im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen,in: Media Perspektiven 7/2000, S. 278 œ 296
Galtung, Johan & Ruge, Marie H. (1965): The Structure of Foreign News: The Structure of
Foreign News. The Presentation of the Congo, Cuba and Cyprus Crisis in Four
Norwegian Newspapers, in: Journal of Peace Research, 2/1965, S. 64 œ 91
Christian Pfeiffer, Michael Windzio, Matthias Kleimann: Die Medien, das Böse, und wir
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